„WEIBLICHE GENITALVERSTÜMMELUNG HAT NICHTS MIT KULTUR, TRADITION ODER RELIGION ZU TUN. SIE IST FOLTER UND EIN VERBRECHEN.
HELFEN SIE UNS, DIESEM VERBRECHEN EIN ENDE ZU SETZEN.“
Waris Dirie
Vor allem Frauen wie Waris Dirie haben wir zu verdanken, dass das Thema Genitalverstümmelung von Frauen (FGM) in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt ist. Unter anderem ihr ist zu verdanken, dass die Generalversammlung der UN 2012 die FGM geächtet hat.
Alle 10 Sekunden wird weltweit ein Mädchen genital verstümmelt!
Die Formen der Beschneidungen werden in vier Kategorien unterteilt:
yp 1: Ausschneiden der Klitoris-Vorhaut („Sunna-Beschneidung“) und der Klitoris oder von Teilen davon.
Typ 2: Ausschneiden der Klitoris-Vorhaut, der Klitoris und der inneren Schamlippen oder von Teilen davon. Typ 1 und 2 sind die häufigsten Arten von FGM: Achtzig Prozent aller betroffenen Frauen haben sie mitgemacht.
Typ 3: Ausschneiden von Teilen oder der gesamten äußeren Geschlechtsteile („Infibulation“, auch „pharaonische Beschneidung“ genannt). Anschließend werden die Stümpfe der äußeren Schamlippen zusammengenäht, so dass nur eine winzige Öffnung bleibt, damit Urin und Menstruationsblut ablaufen können. Vor Geschlechtsverkehr und Geburt muss die Narbe wieder geöffnet werden, was zusätzliche Schmerzen verursacht. Die Infibulation ist vor allem am Horn von Afrika und seinen Nachbargebieten verbreitet – so in Somalia, Djibouti und Eritrea, ebenso im Nord-Sudan und im südlichen Ägypten. Sie ist die schlimmste Form von FGM und betrifft 15 Prozent der Frauen.
Typ 4: Jede andere Prozedur, bei der die weiblichen Geschlechtsteile verletzt oder beschnitten werden. Anstechen, Durchstechen, Einschneiden oder Dehnen der Klitoris oder der Schamlippen, auch Vernarben durch Brandwunden, Abschaben der Vaginalöffnung oder Einführen von ätzenden Substanzen oder Kräutern, um die Vagina zu verengen.
Weibliche Genitalverstümmelung kommt vor allem in Afrika vor, besonders in Nordost-, Ost- und Westafrika. Es gibt sie aber auch im Nahen Osten, in Südostasien – und unter Einwanderern in Europa, den USA, Kanada, Australien und in Neuseeland. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind mindestens 150 Millionen Frauen weltweit davon betroffen. Jährlich werden drei Millionen weitere Mädchen Opfer der Verstümmelung. In Europa leben 500 000 verstümmelte oder von FGM bedrohte Mädchen und Frauen.
(http://www.desertflowerfoundation.org/de/was-ist-fgm/)
Man muss sich das einmal vorstellen: in Somalia, Eritrea, Djibouti und Guinea zum Beispiel sind 98%(!) der Frauen beschnitten, ähnlich erschreckende Werte gibt es in Indonesien und Ägypten. Vorrangig trifft es islamisch geprägte Gesellschaften. Während die Beschneidung in Afrika scheinbar kulturelle Hintergründe hat, lässt sich am Beispiel Indonesien nachweisen, dass die weibliche Beschneidung eindeutig mit dem Islam kam. Vor dem 15. Jahrhundert, als Indonesien noch buddhistisch und hinduistisch war, gab es keine Genitalverstümmelungen. Diese wurden erst mit der Islamisierung traurige Normalität. Man rechnet mit einem Anteil von bis zu 96% der weiblichen Bevölkerung. Das schlimme daran ist, dass es grundsätzlich an keiner Stelle im Koran eine Beschneidung gefordert wird. Aus heutiger Sicht sind wohl eher soziale Gründe ausschlaggebend, nämlich das zu tun, was alle tun und was schon immer getan wurde in diesen vorwiegend patriarchalischen geprägten Kulturen. So manifestiert sich die männliche Vormachtstellung.
Für uns ist dieser gesamte Vorgang, die Denkweise, die Begründung, schlichtweg alles unfassbar, nicht kognitiv nachvollziehbar. Gerne erklären wir es mit der Unwissenheit der jeweiligen Bevölkerung. Am Beispiel Ägypten zeigt sich, dass diese Erklärung falsch ist. Ältere Berichte von UNICEF aus den Jahren 2000, 2003 und 2005 zeigen ein völlig anderes Bild: nahezu ge gesamte weibliche Bevölkerung (91%) ist verstümmelt. In gebildeten Familien beträgt der Prozentsatz 92%. Zwar lassen diese "gebildeten" Eltern ihre Töchter nicht mit Rasierklingen oder Glasscherben verstümmeln sondern von Ärzten, aber macht es das in der Summe besser? Wohl kaum. (http://www.childinfo.org/files/Egypt_FGC_profile_English.pdf). Zahlen aus Äthiopien und Indonesien zeigen ebenso, dass in "gebildeten" Elternhäusern die Verstümmelunsquote höher ist als bei der ländlichen Bevölkerung.
Die Lage in Deutschland: bis zu 50.000 Mädchen gelten als gefährdet. Selbst wenn die Verstümmelung als solche in Deutschland verboten, wird, so fliegen die Familien mit ihren Töchtern nach England, Italien oder Afrika, um den EIngriff dort vornehmen zu lassen. Genaue Zahlen wird es aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht nicht geben. Es besteht weder eine Meldepflicht über bereits begannene Verstümmelungen noch darf sie zur Anzeige gebracht werden.
Ein erfreulicher Gedanke ist, was im Klinikum Waldfriede in Berlin geschah. Nach einem Vortrag Diries im Rahmen eines Ärztekongresses über Genitalverstümmelung, entschloss man sich gemeinsam mit der von Dirie gegründeten Desert Flower Foundation ein Zentrum für beschnittene Frauen zu gründen. Neben der akuten Hilfe bei durch die Beschneidung verursachter Inkontinenz, Vernarbung oder Störung beim Abfließen von Körperflüssigkeiten werden auch erste Fälle von Genitalrekonstruktionen durchgeführt und vor allem werden die Frauen auch psychologisch betreut. Weitere Kliniken sollen weltweit folgen.
Im Zuge der Informationsbeschaffung für diesen Blog-Beitrag bin ich auf eine mir völlig unbekannte, aber ähnlich abstoßende Form gestoßen: so werden in Kamerun, Togo, Guinea, Nigeria und im Tschad bei bis zu einem Viertel der Mädchen die Brüste mit heißen Steinen „gebügelt“. Das soll tradionell verhindern, dass sie Mädchen zu früh sexuell aktiv werden (http://www.news-medical.net/news/20111004/14896/German.aspx und http://www.dw.de/brustverst%C3%BCmmelung...merun/a-5794892).
Sämtliche Statistiken sind natürlich unter Vorbehalt zu betrachten, aber die Tendenz zeigt ein sehr eindringliches Bild.